Impressionen vom Feinen Stoff am 14. November 2018

Nun wissen wir es Alle: Feiner Stoff gehört zu den emotionalsten Dingen der Menschen - ob fest oder flüssig, mit allen Sinnen genießbar.....

....und immer wieder individuell interpretiert.

In einem wunderschönen Ambiente ("Emotion!") konnten wir uns ungezwungen im angenehmen Kreis mit glücklichen Menschen dem Genuß von Feinem Stoff hingeben - intellektuell, emotional, gustatorisch, taktil......vielen Dank an die unsere Gastgeberin Astrid Scheffer in ihrem Laden La Marina auf der Friedrich-Ebert-Str.

Aber zuerst die Fakten: Weltweit werden jedes Jahr etwa 2,1 Mio. t Schurwolle produziert, was dann in etwa 1% der jährlichen Fasermenge der Textilindustrie entspricht. Von Baumwolle hingegen werden jährlich etwa 25 Mio t produziert - wer rechnen kann, weiß nun, wie hoch in etwa der Anteil an künstlichen Textilfasern sein könnte.

Merinowolle hat eine Stärke von 15-25 Mikron (= 10-3 mm) - ein Menschenhaar ist mit 60-80 Mikron durchschnittlich viermal so dick.

Und Super 100 hat natürlich nichts mit Sprit zu zun, sondern bezeichnet die Länge, die 1g Faden haben. Bei einer Stoffqualität von Super 100 hat 1g eine Länge von 100m, bei Super 130 eine Länge von 130m und bei Super 230 sogar - wer errät es?: ja, 230 m! Also: je höher die Qualität, desto feiner der Faden. Qualität heißt hier Knitterunempfindlichkeit, Elastizität und Formstabilität im Endprodukt. "Aber", schränkt Achim Wiegand, Inhaber vom Maßkonfektionär Max Lui in Kassel, ein, "wirkliche Leistungssteigerungen gibt es nur bis zu Super 150; ab Super 170 spricht man vom Prestigebereich, ohne wirklichen, objektiven Zusatznutzen."

Ein weiteres Qualitätsmerkmal stellt das Gewicht des Stoffes je laufendem Meter bei einer Stoffbreite von 150cm dar. Feiner Stoff hat heute ein Gewicht von 220-370 g/lfdm - er ist somit leicht und trotzdem dicht gewebt. Im Gegensatz zu den 80er Jahren, in denen das Gewicht eher bei 580-650 g/lfdm lag, ist das sicher eine positive Weiterentwicklung - bei etwa 3,5m Stoff pro Anzug macht das im Extremfall einen Unterschied von 1,5kg aus: welche Bedeutung für das Fluggepäck von Geschäftsreisenden!

Aber trotz aller Fakten, "ist nicht der teuerste Stoff, oder die ausgefallenste Marke für einen guten Anzug entscheidend", so Achim Wiegand zum Abschluss seines Vortrages, "sondern zuerst die Passform! Gefolgt von der guten Verarbeitung," - als Beispiel brachte er einen aufgetrennten Standard-Anzug und zum Vergleich einen aufgetrennten Mass-Anzug mit - "und dann von der Stofflichkeit." Um letztere zu verdeutlichen brachte er uns einige schwarze Stoffproben mit, die wir anfassen befühlen und bewerten sollten - anonym (Gott sei Dank für den Vorstand) - die Auflösung und Erklärung kam zum Schluss.

Zum Ausgleich erhielten wir Einblick in die Welt des flüssigen Feinen Stoff, dem, laut Weinfachmann Michael Kugel, dem emotionalsten Getränk der Menschheit, das man mit allen Sinnen genießt - oder auch nicht....

Auch hier ein paar Fakten vorweg: Deutschlands Rebfläche stellt nur etwa 1,1% der weltweiten Anbaufläche dar - allerdings mit 100% Qualitätsweinen. Und: Deutschland ist mit 20 Mio hl/Jahr weltweit der größte Weinimporteur - gegen 7-8 Mio hl/Jahr Eigenproduktion - und drittgrößter Weinverbrauchermarkt weltweit. Die größten Weinproduzenten sind Frankreich, Italien und Spanien, bei denen allerdings 1/3 der Weine niedrigere Qualität hat.

Weitere Fakten: 76% aller Weine werden in Deutschland über die Supermärkte, Discounter, also dem Lebensmitteleinzelhandel vertrieben. Und der Durchschnittspreis für eine Flasche Wein betrug im Jahr 2016 über alle gehandelten Weine hinweg: 2,53€!

Aber: "..über Wein-Qualität läßt sich trefflich streiten - über den Geschmack allerdings nicht", so Michael Kugel. "Hier hat jeder eine andere, sprich seine eigene Wahrnehmung." Immerhin besteht Wein zu 80-88% aus Wasser - woher kommt also der Geschmack, oder "wie lange schmecken wir Wein überhaupt?" Um dies herauszufinden hat er 3 Flights mit den üblichsten Weinsorten aus 3 Ländern mit je 3 Flaschen in unterschiedlichen Preisklassen von 3-12€vorbereitet: deutscher Riesling, italienischer Pinot Grigio und französischer Bordeaux. Die Weine wurden blind verkostet - zu jedem Flight gab es eine Anleitung zum richtigen kosten - und jeder Anwesende sollte einschätzen, welche Flasche, welchen Flights welchen Preis (vorgegeben) hat. 

Auch hier gab es nach dem weiteren Genuss von leckerem Käse und Häppchen, mit viel professionellem und dilettantischem Austausch über die Stoffqualitäten die Auflösung nebst Erläuterung zur Geschichte und Qualität der jeweiligen Stoffe und der erzeugenden Produzenten.

Das Fazit zum Schluss: der Abend war informativ, unterhaltsam, kurzweilig, emotional und erfüllt von Feinem Stoff. Nochmals vielen Dank an unsere Gastgeberin Astrid Scheffer und an unsere Profis für Feinen Stoff Achim Wiegand und Michael Kugel für ihr Engagement und ihre Vorbereitung um uns so einen schönen Abend zu bescheren.

Last, not least: ein Vorstand outete sich als Etikettentrinker und stofflich gefühllos, gelobte aber Besserung.

Bilder: H. Stemmler, M. Raschbichler