Impressionen aus dem Ahrtal und Frühjahrserwachen am 21. April 2022

Wie funktioniert Katastrophenschutz in Deutschland? Brauchen wir den noch? Wie lösen wir das logistische Problem der Versorgung von 10.000 Menschen in einem Krisengebiet ohne Wasser, ohne Strom, ohne Brücken?

An die Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 erinnern wir uns wohl noch alle. Vor allem an die Bilder aus den Medien. Was diese Katastrophe für die Menschen vor Ort und die Helfer wirklich bedeutete, konnten wir anhand dieser Bilder nicht erfassen. Dies brachte uns Wolfgang Weber, der vor Ort für das Rote Kreuz als "S4" die Versorgung (also Beschaffung und Einkauf) für die Menschen und Helfer vor Ort übernahm, in einem beeindruckenden Vortrag näher  

„Ihr fahrt ins Chaos!!“ Diese Ansage von Wolfgang Weber an sein "Team Bravo", als er es zum Einsatz ruft, beschrieb die Lage zwei Wochen nach der Flut treffend. Die Helfer fanden vor Ort eine Situation vor, die wir nur aus Filmen kannten, hier allerdings Realität war: Brücken (und damit Verkehrswege) weggeschwemmt, kein Strom, kein Gas, kein Wasser, kein Abwasser, keine funktionierende Lebensmittellogistik.

Schon seit dem Fall der Mauer wurde der Katastrophenschutz in Deutschland reduziert und die DRK-Hilfszüge wurden bundesweit eingestellt. Nur Hessen und Bayern „leisteten“ sich noch eigene Züge beim Deutschen Roten Kreuz - die jährlichen Kosten in Höhe von rund 3 Mio € werden aus Spenden getragen. In Hessen heißt dieser Zug "DRK-Landesverstärkung Hessen", hat seinen Sitz in Fritzlar und kann bei Bedarf überregional angefordert werden. Allerdings haben die dort ehrenamtlichen Helfer nur bei Erklärung des Katastrophenfalles der hessischen Landesregierung Anspruch auf Lohnfortzahlung, was bei überregionalen Einsätzen außerhalb des Bundeslandes Schwierigkeiten bereiten kann, da das DRK nicht den Status des THW oder der Feuerwehr hat.

So rückten also zwei Wochen nach der Flut insgesamt 120 freiwillige Helfer aus Hessen aus (10% davon aus Kassel) um eine bis dato in Deutschland noch nie benötigte Aufgabe zu bewältigen: die Versorgung von 10.000 Menschen im Krisengebiet mit warmen Mahlzeiten und Getränken. Dreimal täglich. Einkauf, Zubereitung und Verteilung. Eine logistische Meisterleistung. Und eine organisatorische. Oder haben sie schon mal versucht an einem Wochenende, von einem Tag auf den anderen, 16.000 Brötchen zu kaufen? Und wie gehen sie mit ungeplanten Lebensmittelspenden um, die in der Sonne abgestellt wurden? Darunter 20.000 Eier, die nun fachgerecht zu entsorgen waren?

Vom ersten Ankommen bis hin zum Aufbau der „Versorgungs-Zeltstadt“ auf einem geeigneten Gelände gab uns Wolfgang Weber einen äußerst kurzweiligen Einblick in seine Erlebnisse im Ahrtal und zeigte uns, wie wichtig Katastrophenschutz und ehrenamtliches Engagement für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind.

Wer noch einen Eindruck über "Vor" und "Nach" der Flut haben möchte, empfehlen wir folgenden Film: youtube.com/watch?v=iGVhf0obxd8

Wir bedanken uns für den interessanten Abend und freuen uns auf weitere Begegnungen und Austausch.